Der eigentliche Plan war es, die letzten 2-3 Wochen in Kalifornien Wellenreiten zu lernen. Wir wollten Los Angeles streifen und in San Francisco auf dem Trittbrett der Cable Cars fahren um uns anschliessend gemütlich die Westküste hochzuarbeiten und den Camper abzugeben. Ein Tag Miami kam ohne Einladung dazu. 12 Staaten in 3 Monaten und ein Einblick in das Leben eines Volkes, das es nicht leicht hat mit seiner Position gegenüber dem Rest der Welt...




Die Enttäuschung Südkalifornien:


Jeder der einen Fernseher besitzt, hat auch eine gewisse Vorstellung von Kalifornien. Aber eigentlich ist alles ganz anders. Wir hatten uns einen Platz weit im Süden rausgesucht, da man dort ohne Neopren in den ansonsten eiskalten Pazifik kann. Empfangen wurden wir in South Carlsbad von einer Gischt, die den Himmel in Grau färbte. Unser State Park hatte auch eine Surfschule. Allerdings stellte sich der Besitzer als Laberhannes und Abzocker raus. Ihm wollten wir keinen Cent in den Rachen werfen, zumal uns das ganze Drumherum auch nicht besonders gefiel. Einziges Highlight waren am Morgen die wellenreitenden Delphine, denen die Surfer (im Neopren) ehrfürchtig zusahen und Pelikane, die in Formationen knapp über die Wasseroberfläche glitten. Wie wir erfuhren, geschieht dies jeden Tag. Am nächsten Campingplatz hatten wir auch kein Glück - Ende der Saison: Surfbrettverleih geschlossen.

 

Bei der Weiterfahrt gen Norden machten wir einen kurzen Abstecher in die Stadt der Engel. Wir kurvten durch Beverly Hills und sahen jede Menge Stretchlimousinen, aber keine Berühmtheiten. Die Häuser der Schönen und Reichen sind gut hinter Maürn und Zäunen gegen die tägliche Besucherschar abgeschirmt. Bei fliegenden Händlern kann man sogenannte "Starmaps" kaufen. Anhand dieser Karten kann man dann die Häuser der einzelnen Stars ausfindig machen. Aber von solchen "Schandtaten" waren wir weit entfernt. Vor dem Chinese Theater sahen wir uns die Hand- und Fussabdrücke an. Mein Favorit waren die von Sean Connery, da barfuss. Die Sternchen auf dem Walk of Fame haben uns nicht wirklich vom Hocker gehauen, denn auch hier war mal wieder die Phantasie besser als die Realität. Als wir am Abend L.A. verliessen, hatten wir 100 Meilen mehr auf dem Tacho. Unglaublich diese Grösse.

Der erste Strand, der uns ganz gut gefiel war bei Carpinteria. Nachts entdeckten wir allerdings seine Schattenseite: Der vorbeifahrende Zug hupte über Minuten in einer unglaublichen Lautstärke und es hatte den Anschein als würde er durch unseren Camper fahren. Hier wurden wir also im Schnitt 3 Mal nachts aus dem Schlaf gerissen. Als noch eine Erkältung hinzu kam und sich zu Halloween ein Dauerregen einstellte, waren wir uns einig: Zeit zum Aufbrechen!

 



Fish'n Chips, posende Seelöwen und Seeotter:



In Morro Bay angekommen, spitzte auch die Sonne wieder durch die Wolkendecke. Spontan entschlossen wir uns für einen Bummel durch den Hafen. Morro Bay ist ein noch nicht ganz so touristisches kleines Fischerdorf. Im Hafen gab es erst mal eine Portion Fish'n Chips und als Zugabe einen grunzenden Seelöwen, der auf einer Bootsanlegestelle sass und die Aufmerksamkeit der Zuschauer sichtlich genoss. Er grunzte, machte ein Auge auf um zu sehen, ob noch jemand da war, schloss die Augen wieder und poste weiter. Sensationell! Am nächsten Tag statteten wir noch der Seeotterkolonie einen Besuch ab. Auf dem Rücken treibend putzen sie sich die Ohren oder die Gesichter, schubsen sich gegenseitig oder kugeln einfach nur so im Wasser rum. Eine Mutter mit Kind war auch dabei. Das Kleine auf dem Bauch der Mutter und sie hatte die Arme fest um es gelegt. Toll so ein Seeotterdasein: Im Wasser treiben, Quatsch machen und Futtern. Am Abend gab es den besten Fisch unseres Lebens: gegrillter Schwertfisch, der so zart war, dass er allein beim Anblick der Gabel zerfiel.

 

Unser nächster Stop galt den Seelefanten, die sich seit den 90er Jahren am Piedras Blancas Beach zur Paarung einfinden. Die ganz grossen Bullen, die den namensgebenden Rüssel haben und bis zu 2,5 Tonnen wiegen, waren leider noch nicht eingetroffen.

Die Tiere hatten gerade 8000 km von Alaska zurückgelegt und lagen mit einem selbstgefälligen Grinsen zufrieden dösend in der Sonne. Ein paar aufmüpfige Unruhestifter waren auch dabei. Alles in allem ein Geschubse, Gegrunze und Massengeschmuse. Ich glaube, dass wir Menschen die Tiere besonders toll finden, die uns in irgendeiner Weise ähneln. Wenn die Seelefanten niesen oder sich mit spitzer Kralle jucken, ist das auch der Fall. Als wir uns endlich von diesem Spektakel losreisen konnten, ernteten wir von der freiwilligen Seelefantenbeauftragten einen erstaunten "Oh, ihr seid immer noch da? - Wir können Euch hier gut gebrauchen..." Kommentar. An diesem Tag stand das Ergebnis der Wahlen bereits fest. Der erste halbschwarze Präsident der Vereinigten Staaten war gewählt worden und wir wussten von alldem nichts.



If you're going to San Francisco:


Unsere Erwartungen an San Francisco waren hoch, da jeder, den wir getroffen hatten, begeistert von dieser Stadt war. Und sie wurden vollkommen erfüllt: Die Lage auf einer Landzunge, die hügelige Strassenführung, die man von den Verfolgungsjagden aus dem Fernsehen kennt und die ratternden Cable Cars schaffen diese ganz besondere Atmosphäre der Stadt. Das Fahren auf dem Trittbrett der Cable Cars hat uns sofort begeistert. Aus der Ferne bewunderten wir Alcatraz und in der Fisherman's Wharf die antiken Schaufelraddampfer.

 

Am Pier 39 überzeugten wir uns von der feindlichen Übernahme eines kompletten Bootsanlegestegs durch Seelöwen. Aus der anfänglichen Geruchs- und Lärmbelästigung für die Anwohner ist mittlerweile eine Touristenattraktion geworden. Durch das Schnellrestaurant "Bubba Gump" schlenderten wir auch und fanden ein paar Artefakte aus dem Film "Forrest Gump". Diese Kette entstand nach dem Film und zählt inzwischen über 30 Filialen. Eine gute Idee muss man haben...

Bei der Überfahrt über die Golden Gate Bridge am nächsten Tag hatte sich das Wetter so verschlechtert, dass wir die erhofften Brückenbilder nicht machen konnten. Die Erkenntnis, dass wir nur noch 4 Tage Zeit hatten um an den Ausgangspunkt (Grayland) unserer Reise zurückzukehren, traf uns plötzlich und unerwartet. Wo war denn die Zeit geblieben?



Versagen der Batterie, Dauerregen in Oregon und Avenue of Giants:

 

Auch auf der Weiterfahrt wurden wir von einheitlichem Grau und unaufhörlichem Regen begleitet. Also durchfuhren wir ganz nach amerikanischer Art die "Avenue of Giants" und den Redwood Nationalpark. Einen Abstecher nach Bodega Bay, dem Ort an dem "Die Vögel" gedreht wurden machten wir noch, bevor wir uns zu einer Weiterfahrt auf der schnelleren Interstate entschlossen. Kurz nach Erreichen von Oregon hielten wir an einem Aussichtspunkt, an dem man die Chance hat, Wale zu sichten. Als wir Weiterfahren wollten war unsere Batterie so tot, dass überhaupt nichts mehr ging. Typisch - so kurz vor dem Ende mit der Eile im Nacken. Ein Officer, der von meiner Ankunft nicht wirklich begeistert war, da er mit seinem Kollegen gerade einen Mann im Auto in Schach hielt, war trotzdem so nett und rief Verstärkung zwecks Überbrückung. Die nächsten 2 Stunden verbrachten wir in einer Werkstatt. Einen nächsten Halt wagten wir am Haystack Rock, auf dem sich normalerweise Papageientaucher befinden. Das vertraute Grau machte sogar den Felsen unsichtbar. Das nahmen wir zum Anlass bis nach Grayland durchzufahren.



Seattle, Chicago und Miami:


Da wir von unserem Camperverleihchef bereits früher als geplant nach Seattle gebracht wurden, verbrachten wir einen ganzen Tag fernsehglotzend im Bett und genossen das eigene Bad und die weissen Frottierhandtücher. Was ist man so bekloppt! Die Freude über das eigene Zimmer verflog mit der Ankunft im Super 8 Motel in Chicago. Empfangen wurden wir von einem unfreundlichen Inder und einem Desinfektionsmittelgestank, der sich beim Öffnen der Zimmertüre noch potenzierte. Als wir am nächsten Morgen zum Frühstück gingen, dachte ich im ersten Moment, dass sie schon abgeräumt haben, aber bei genauerer Betrachtung befanden sich noch Donuts im Plastikschrank und in aufgeschäumten Bechern konnte man seinen Kaffee geniessen. Die bunten Cerealien kamen bei den anderen Gästen auch gut an. Sehr lecker!

 

Bei unserem ersten Ausflug nach Chicago sind wir gleich auf den höchsten Wolkenkratzer der USA gefahren, den Sears Tower. Mit dem Aufzug fährt man eine Minute und im 109ten Stockwerk steigt man mit weichen Knien aus. Belohnt wurden wir mit einem fantastischen Blick auf die anderen Hochhäuser, die von hier wie Spielzeugeisenbahnaccessoires aussehen. Wieder zurück am Boden fanden die ersten Schneeflocken ihren Weg auf die Erde. Im Millenium Park begeisterte uns ein Gebilde aus hochpoliertem Stahl, in dem sich die Skyline spiegelt und alle, die davor rumturnen. Schon wieder eine Stadt, die uns gefällt...

Bei unserem nächsten Besuch war es zwar immer noch sehr kalt, dafür gab es blauen Himmel und Sonnenschein. Entlang des Chicago Rivers prägen jede Menge Zugbrücken und eine Abwechslung aus alten und neuen Gebäuden das Stadtbild. In der Union Station betrachteten wir das von der Sonne ausgelöste Strahlenspiel durch die Oberlichter. Die Magnificent Mile schlenderten wir entlang und beim Navy Pier stellten wir fest, dass die Saison wohl erst wieder im Frühling losgeht.

Am Flughafen in Chicago kamen wir mit gemischten Gefühlen an. Jetzt sollte das eigentliche Abenteuer erst richtig losgehen: Nach der Landung auf einem der höchsten Flughäfen der Welt stand uns die Weiterreise in einem Land bevor, dessen Sprache wir nicht wirklich beherrschen, angewiesen auf öffentliche Verkehrsmittel und nur mit Rucksack. Unser Flug ging über Miami nach La Paz. Beim Blick auf die Anzeigetafel mussten wir feststellen, dass ausgerechnet unser Flug 3,5 h Verspätung hatte und wir unseren Anschlussflug niemals bekommen würden. Im ansonsten so serviceorientieren Amerika bekamen wir nach dem dritten Versuch, einen kompetenten Ansprechpartner zu finden, lediglich die Nummer einer Hotline. Die nette Dame am anderen Ende konnte uns immerhin mitteilen, dass wir in Miami einen Tag warten müssen - Ach? Ehrlich! In Miami angekommen war dann aber doch alles organisiert. Wir erhielten ein Zimmer im Holiday Inn und Essensgutscheine.

 

Da wir nur unser Handgepäck hatten, kam ich mir mit meinen dicken Wanderschuhen am Strand von Miami Beach doch etwas deplaziert vor. Das türkisblaue Wasser lässt zwar Karibikfeeling aufkommen, aber ansonsten hat man nichts verpasst, wenn man hier nicht seinen Urlaub verbringt. Das war zumindest unser erster Eindruck.



Inzwischen sind wir in Pucón, im Seengebiet von Chile angekommen. Nach anfänglichen Wehwehchen haben sich unsere Körper den südamerikanischen Gegebenheiten angepasst. Die Landung auf 4057,8 Metern über dem Meeresspiegel haben wir auch überlebt. Im Nationalpark Lauca durften wir die brillianten Farben bewundern und ich habe mich von einem Alpaka bespucken lassen. Ausserdem waren wir im trockensten Gebiet der Erde - aber mehr dazu im nächsten Bericht...